09.01.2020

Wald wirkt – Aktuelle Studie zum Trendthema Waldgesundheit

Bad Peterstal-Griesbach – Waldbaden, Waldgesundheit und Waldtherapie sind aktuell in aller Munde und in den Medien sowie Fachzeitschriften weit verbreitet. Welche Wälder besonders positiv auf die menschliche Gesundheit wirken, ist jedoch nur in Ansätzen erforscht. Um zu dieser Frage gesicherte, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zu gewinnen, hat der Heilbäderverband Baden-Württemberg, mit finanzieller Unterstützung des Ministeriums der Justiz und für Europa sowie des Förderkreises für Balneologische und Klimaphysiologische Forschung Baden-Württemberg e.V., die gesundheitsförderlichen Wirkungsweisen des Waldes in einer interdisziplinären Studie untersuchen lassen. 

Die Studie wurde von Wissenschaftler/innen der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg (Fachbereich Tourismus), der Eberhard Karls Universität Tübingen (Fachbereich Gesundheitspsychologie und Neurorehabilitation) sowie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Fachbereich Ökosystemphysiologie) durchgeführt und am 10.12.2019 in Bad Peterstal-Griesbach vorgestellt.

Im Zeitraum vom 08.-15. Juli 2019 wurden in Bad Peterstal-Griesbach Erhebungen mit dem Ziel durchgeführt, die Erholungswirkung des Waldes zu analysieren. Die Erhebungen fanden an vier Standorten (Mischwald, Nadelwald, unbedufteter und bedufteter Innenraum) statt. Sie bezogen sich einerseits auf psychophysiologische Parameter und auf das subjektive Wohlbefinden der Probanden/innen, andererseits auf die Spurengaskonzentrationen in der Umgebungsluft sowie audio-visuelle Gesamtqualitäten des Waldes. Die Kernaussagen der Studie lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Analyse von Terpenen: Der Schwerpunkt lag auf der Analyse der pharmazeutisch wirksamen volatilen Terpene. Hierfür wurde jede Versuchsperson mit einem Luftprobenahmesystem (Pumpe plus Luftprobenahmeröhrchen) ausgestattet und die Luft in unmittelbarer Umgebung analysiert. Wie erwartet war die Komposition der verschiedenen Terpene weitgehend charakteristisch für die jeweiligen Standorte. Die bedufteten und unbedufteten Räume unterschieden sich deutlich untereinander und erwartungsgemäß ebenso von den Waldstandorten. Große Unterschiede ergaben sich auch für die Gesamt-terpenkonzentrationen an den Standorten. Die Luft aus dem Nadelwald enthielt höhere Terpenkonzentrationen als aus dem Mischwald, der seinerseits mehr Terpene enthielt als der unbeduftete Raum. Die mit Abstand höchsten Terpenkonzentrationen wurden im bedufteten Raum bestimmt.

Analyse des subjektiven Wohlbefindens: Im Rahmen eines dreiteiligen Untersuchungsdesigns wurde mithilfe eines Grundfragebogens die grundsätzliche Verfasstheit der Probanden/innen im Sinne von Naturverbundenheit, Lebenszufriedenheit, Stress und Achtsamkeit im Alltag erfasst. Mithilfe von zwei Begleitfragebögen wurden die Stimmung vor und nach dem Besuch der vier Untersuchungsbedingungen, die Erholsamkeit der jeweiligen Umgebung und die dort erfahrene Erholungswirkung erhoben. Wie erwartet werden die Außenräume (Mischwald und Nadelwald) als erholsamer wahrgenommen, als die beiden Innenräume (beduftet & unbeduftet). Die Probanden/innen fühlen sich dabei nach dem Besuch im Mischwald am stärksten erholt. Hinsichtlich der Frage, inwieweit Terpene zur Erholung beitragen, zeigen die Ergebnisse, dass die Terpenkonzentration signifikant auf die wahrgenommene Erholsamkeit der Untersuchungsbedingungen wirkt.

Analyse der psychophysiologischen Daten: Die Daten zeigen, dass Achtsamkeitsübungen im Wald zu einer Reduktion des Stresshormons Cortisol und zu einer Verbesserung der Aktivität des parasympathischen Nervensystems (NS) führen. Dabei gibt es Unterschiede zwischen den betrachteten Waldtypen: Der Mischwald zeigt bessere Effekte auf die kardiovaskuläre Aktivität und die Aktivität des parasympathischen Nervensystems. Der Nadelwald weist hingegen bessere Effekte auf den Cortisol-Spiegel auf. Betrachtet man im Vergleich dazu Achtsamkeitsübungen im Innenraum so zeigt sich, dass Aufenthalte im Wald zu einem deutlich niedrigen Cortisol-Spiegel führen als Aufenthalte im Innenraum. Allerdings wirkt der mit Terpenen beduftete Innenraum ebenfalls positiv (Verbesserung der Aktivität des parasympathischen NS).

Die Daten zeigen eindrücklich, dass  Menschen durch Achtsamkeitsübungen im Wald gesundheitlich profitieren können. Im Vordergrund steht dabei die Wahrnehmung des Waldes mit den verschiedenen Sinnen (visuell, auditorisch, taktil und olfaktorisch). Die Anleitung durch Therapeuten/innen wirkt sich dabei vorteilhaft auf Patienten/innen aus. Andernfalls besteht die Gefahr, während des Waldaufenthaltes über Probleme nachzudenken, was zu einer Aktivierung von Stresshormonen führen kann.

Auf Basis der Studienergebnisse lassen sich Handlungsempfehlungen ableiten. Dabei gilt: Wald wirkt – aber in unterschiedlicher Art und Weise. Die Daten zeigen somit bei allen Messparametern (sei es die Terpenkonzentration in der Luft, die subjektive Wahrnehmung des Erholungseffektes oder auch die psychophysiologischen und neuroendokrinen Prozesse) differentielle Effekte der verschiedenen Waldkomponenten. Folgende Grundsätze können sich vor diesem Hintergrund ableiten lassen:

Für Personen, die von einer Senkung des Cortisol-Spiegels (Stresshormon) profitieren, sind Achtsamkeitsübungen im Nadelwald empfehlenswerter als im Mischwald.

Für Personen, die von einer Verbesserung der kardiovaskulären Aktivität (z.B. Senkung des Blutdrucks, Entspannung des Herzschlags) profitieren, erscheinen hingegen Achtsamkeitsübungen im Mischwald geeigneter als im Nadelwald.

Patienten/innen profitieren maßgeblich davon, wenn zusätzlich zu den stationären und ambulanten Interventionsmaßnahmen Achtsamkeitsübungen im Wald durchgeführt werden.

Patienten/innen, die bettlägerig sind, können davon profitieren, dass ein Innenraum mit Terpenen beduftet wird. Auch audiovisuelle Elemente (z.B. Blätterrauschen) können eine sinnvolle Ergänzung darstellen.

Insgesamt sind – so das interdisziplinäre Forschungsteam – maßgeschneiderte Interventionen anzuwenden, die auf die individuellen Gegebenheiten angepasst sind. So kann sich der „Wirkungskomplex Wald“ positiv auf die Gesundheit sowie die Erholung auswirken. In der Summe aller untersuchten Aspekte konnte der Erholungs- und Gesundheitsfaktor des Waldes belegt werden. Achtsamkeitsübungen im Erholungsraum Wald können diese Effekte dabei zusätzlich verstärken.    

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